Dass das Zuhören in unserer Gesellschaft zu den verlernten Fähigkeiten gehört, wurde mir erst unlängst ganz deutlich klar.
Einige Jahre lang hatten ein Jugendfreund und ich uns aus den Augen verloren. Als wir uns wieder trafen, erzählten wir uns zumindest die wichtigsten Neuigkeiten, um den anderen auf den aktuellen Stand der Dinge zu bringen.
Bei mir zählte der plötzliche und viel zu frühe Tod meines Vaters zu den einschneidensten Ereignissen. Wie es mit emotionalen Dingen so ist, redet frau öfter und auch länger über das jeweilige Thema. Viele Männer sind in der Hinsicht anders – männlich zurückhaltend und wortkarg.
Einige Monate später saßen wir wieder bei einigen Tassen Kaffee beieinander und ich erwähnte meinen Vater in einem Gespräch. Mein Managerfreund wollte Interesse zeigen und fragte: „Und wo ist Dein Vater jetzt?“
Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Nicht beabsichtigt und dennoch völlig ungeniert.
Weil mir die Worte fehlten, konnte ich ihn nur noch anstarren. Und ich starrte ihn an. Gefühlte fünf Minuten.
Er hingegen hielt meinen Blick nicht aus und wendete sein Gesicht von mir ab. Plötzlich saß da nicht mehr der Manager eines Konzerns vor mir, sondern eher ein kleiner Junge mit hängendem Kopf. Mich würde interessieren, ob er früher als Kind bei Fehlern mit Nichtachtung und Liebesentzug gestraft wurde.
Der Mann, den ich trotzdem noch als meinen Freund bezeichne, erklärte sich dann damit, dass er öfter in Unterhaltungen auf Durchzug schalte, weil er täglich sehr viele Informationen zu verarbeiten habe. Dabei schien er zu vergessen, dass gerade Geschäftsleute ein Gespür für ihre Geschäftspartner haben müssen, um in Verhandlungen überhaupt erfolgreich sein zu können.
Zuhören hat also etwas mit Prioritäten zu tun. Besteht Interesse, dann wird einem zugehört. Wird einem nicht zugehört, dann ist man dem Gegenüber also entweder nicht sonderlich wichtig, es ist einfach der falsche Zeitpunkt oder das falsche Thema.
Für mich ist kaum etwas interessanter als (ungeschriebene) Autobiografien. Ich finde Menschen faszinierend und ich höre ihnen gerne zu. Wirklich zuhören haben viele entweder nie gelernt oder bereits verlernt. Das ist schade. Ein großer Schatz an Erfahrung geht damit verloren.
Früher war es überall auf der Welt Sitte, Geschichten, Weisheiten und Wissenswertes zum Überleben mündlich weiterzugeben. Sehr anschaulich wird das in der TV-Serie „Roots“ (übersetzt: „Wurzeln“) nach dem gleichnamigen Bestseller von Alex Haley dargestellt. Mit jeder Generation wuchs die Familiengeschichte, die an die Nachkommen überliefert wurde.
In der heutigen schnelllebigen Zeit mit virtuellen Suchmaschinen auf Abruf scheint die Merkfähigkeit des Menschen zu verkümmern. Das Gehirn wird nicht mehr ausreichend trainiert und die Hirnstruktur verändert sich dadurch nachweislich. Die Ablenkungen sind groß, die Konzentrationsfähigkeit nimmt ab. Der materielle Konsum hat seinen Höhepunkt erreicht. Ein „noch mehr“ ist kaum noch vorstellbar.
Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass das Individuum Mensch dabei seelisch auf der Strecke bleibt und trotz – oder gerade wegen – der Social Media völlig vereinsamt. Der Konsum der Wegwerfgesellschaft macht nicht glücklich. Glück kommt von innen – niemals von außen.
Und was steckt innen in uns drin? Gefühle. Emotionen. Ausgelöst durch Gedanken und unterbewusste Glaubenssätze. Wir brauchen Zuneigung, Vertrauen, Verständnis, das Gefühl, dazuzugehören und angenommen zu sein. Verdrängte, grundlegende Wünsche, Sehnsüchte und Träume machen unglücklich und krank, wenn die Balance zwischen positiven Gefühlen und negativen Gefühlen aus dem Gleichgewicht gekommen ist.
Zuhören ist wichtig für eine Kommunikation, die den Namen auch verdienen soll. Zuhören ist mindestens so wichtig wie selbst zu reden. Nur wenn wir unserem Gegenüber zuhören, können wir auch erwarten, dass er uns seine Aufmerksamkeit entgegenbringt.
Wenn Du jemanden zum Zuhören brauchst, dann kontaktiere mich einfach!